Pressemitteilung von 12.12.2024
Neue Ausstellung: Das Schwimmbecken als Spiegel der Gesellschaft
Stuttgart (hdgbw) – Wer darf mitschwimmen? Und wer nicht? Dieser Frage widmet sich die Große Sonderausstellung „Frei Schwimmen – Gemeinsam?!“ im Haus der Geschichte Baden-Württemberg. Im Becken spiegelt sich die Gesellschaft: Unterschiedlichste Menschen mit verschiedenen Lebensstilen und Moralvorstellungen begegnen sich in öffentlichen Bädern – mal mehr und mal weniger harmonisch. Die Schau in dem Stuttgarter Museum präsentiert mehr als 200 Objekte und Fotos – von einer Tür, die sich für Männer niemals öffnet, bis zu Originalaufnahmen von einem Schwimmstar, der später zum weltbekannten Haudrauf wurde. „Frei Schwimmen“ hat vom 13. Dezember 2024 bis zum 14. September 2025 geöffnet.
„Was heißt frei schwimmen für wen? Die Ausstellung vermittelt auf spannende Art und Weise, was das öffentliche Baden prägt, aber in diesem Zusammenhang nur ab und zu in der öffentlichen Wahrnehmung auftaucht. Es geht um Gleichberechtigung und Demokratie, aber auch um Sexismus und Rassismus, Ausgrenzung und Vorurteile“, beschreibt Direktorin Dr. Cornelia Hecht-Zeiler die für ein politisch-historisches Museum ungewöhnliche Ausstellung. „Wie frei geschwommen werden kann, erzählt uns, wie frei die Gesellschaft insgesamt ist.“
Kurator Dr. Sebastian Dörfler lädt zum Eintauchen in das Thema ein: „Der Ausstellungsraum im Haus der Geschichte hat sich in ein 35-Meter-Becken verwandelt. Darin sehen wir, welche Badeorte wann für welche Gruppen entstanden sind und wer dort gemeinsam schwamm oder gerade nicht. Einst wurden Bäder für Fürsten und Arme gebaut. Volksbäder sollten für alle zugänglich sein, allerdings lange streng getrennt nach Geschlechtern oder in der NS-Zeit unter Ausschluss der jüdischen Bevölkerung und anderer ,Unerwünschter‘. Und selbst in der Demokratie wollten und wollen nicht alle gemeinsam ins Wasser steigen.“
Die Ausstellung macht in einer atmosphärischen Inszenierung deutlich, was bis heute jedes Schwimmbad über seine Zeit, die Menschen und ihre Gesellschaft verrät. Sie zeigt Beispiele spektakulärer oder verlassener Bäder und birgt spannende Geschichten: Vom sanktionierten Nacktbaden vor über 200 Jahren in Ulm. Von der aus Bissingen (bei Esslingen) stammenden Trudy Ederle, die als erste Frau den Ärmelkanal durchschwamm und mit ihrem Tempo alle Männer nass machte. Oder von Carlo Pedersoli, der als Schwimmer eine große, als prügelnder Schauspieler eine noch größere Nummer war – da er einst auch in Schwäbisch Gmünd schwamm, gab er später dem dortigen Bud Spencer Bad seinen Namen.
„Frei Schwimmen“ präsentiert prunkvolle Stücke aus dem Fürstenbad „Bad Wildbad“, Instrumente der „Körperoptimierung“ aus den Volksbädern Mannheim und Stuttgart-Heslach, die Tür des für Männer streng verbotenen Damenbads im Lorettobad Freiburg sowie den Burkini, mit dem eine Muslima nicht ins Hallenbad in Konstanz eingelassen wurde.
Denn inzwischen werden Freiheit und Freizügigkeit wieder heiß diskutiert. Benötigen Frauen, queere oder behinderte Menschen einen „geschützten Raum“? Nützt oder schadet Oben-ohne-Baden dem Feminismus? Ist die Akzeptanz von maximalem Verhüllen rückständig oder fortschrittlich?
Diese Frage wird auch im Begleitprogramm diskutiert: Es startet mit dem Podiumsgespräch „Spannungsfeld Stoff: Wie darf frau baden?“ am 16. Januar. Weniger ernst geht es bei den Poetry und Impro-Slams zu – unter dem Motto „Wenn Fakten baden gehen“ im Haus der Geschichte und beim „Poetry Dive“ an einem ungewöhnlichen Ort, dem zur Schulmensa umfunktionierten ehemaligen Ludwigsburger Stadtbad. Unterschiedlichste Führungen, das große Stuttgarter Museumsquiz, Literaturveranstaltungen, After-Work-Formate und Sommer-Partys sorgen für große Abwechslung. Weitere Informationen: www.frei-schwimmen.net